24.12.2022
Nachruf

IM Stefan Reschke verstorben

Am 13. Dezember verstarb Stefan Reschke (1965-2022) nach langer schwerer Krankheit in Frankfurt a.M. Er spielte von 1991 bis 1994 in unserer I. Mannschaft in der I. Bundesliga. In dieser, seiner schachlich besten Zeit, erzielte er IM-Normen, gewann die RLP Blitz- und Schnellschach-EM 1993 und wir erreichten mit ihm bei der Deutschen Mannschaftsblitzmeisterschaft 1992 Platz fünf.
Wir hatten den Höchster Chemielaboranten schon bei Blitzturnieren in den 80er Jahren als Jugendlichen kennengelernt. Die Älteren werden sich noch an seinen "hässischen" Unterton erinnern und seinen Spitznamen bei uns, das "Äffchen". Diesen urkomischen Echonamen – die Germanisten unter uns wissen Bescheid – hatte er sich damit erworben, merklich schwächere Schachfreunde – das waren ja die meisten im Vergleich zu ihm – ohne böse Absicht zu bezeichnen. Wir werden ihn und seine originelle Art nicht vergessen.

Ein ausführlicher Nachruf findet sich unter chessbase.com. [TB]
Nachruf

In Gedenken an Stefan Reschke

(* 23.12.1965 ; † 13.12.2022)

Die Koblenzer Jahre 1991-1994

von Michael Hammes

Stefan Reschke


Es ist Samstag, der 26.11.2022. Ich fahre zum 2. Bundesliga Auswärtsspiel nach Oberursel. Ich sage zu meinem Mannschaftskollegen und Beifahrer: Wenn wir morgen gegen Oberursel spielen, muss ich mich nach Stefan erkundigen. Ich habe aber ein bisschen Angst vor der Antwort. Mein Beifahrer fragt: Stefan Reschke? Wer ist das überhaupt?

Es geht über 30 Jahre zurück ins Jahr 1991. Die letzte Phase der glorreichen Zeit in der 1. Bundesliga wurde eingeleitet. Ich war damals noch ein Jugendlicher auf dem Sprung zur 1. Mannschaft. Die Sowjetunion stand kurz vor dem Zerfall und mit Michael Gurevich und Eddie Rozentalis kamen zwei Weltklassespieler nach Koblenz. Zu den Neuzugängen zählte auch Stefan. Im Rheinland damals noch ein unbeschriebenes Blatt. Um in Koblenz spielen, analysieren und weggehen zu können, musste man damals wie heute in vielerlei Hinsicht stabil sein. Stefan war dies zweifellos. Seine Gegner als „Äffchen“ zu bezeichnen ist in Koblenz brandgefährlich. Diesen Echonamen trug er damit als Spitznamen über seine Koblenzer Zeit hinaus. Er war aber auch stets sehr selbstkritisch. „Da bin ich voll aufgedozt“. „Ich bin aber auch völlig verblödet“. Die Selbstgeißelung nach Niederlagen war auch Teil seines Charakters. Ich erinnere mich noch dunkel an eine Fahrt nach Höheinöd in die hinterste Pfalz. Dort wurde er unter Koblenzer Flagge souverän Rheinland-Pfalz-Schnellschachmeister.

1. Mannschaft 1992/93
1. Mannschaft Saison 1992/93:
1. Reihe: GM Rozentalis, M. Hammes, G. Seul, GM Gurevitsch, U. Bohn;
2. Reihe: T. Bohn, Dr. W. Polster, C. Herbrechtsmeier, St. Reschke, A. Thieme-Garmann, L. Fritsche, C. Graw (Bohn), IM D. Doncevic

Das Foto vom letzten Klassenerhalt 1993 zeigt ihn im Zentrum. Es war vielleicht Zufall – vielleicht auch nicht. Als wir 1994 aus der 1. Bundesliga abgestiegen sind, war es klar, dass Stefan weiterziehen würde. Es war ein Abschied im Guten! Er kam als FM mit ca. 2300 und wurde IM mit 24++.

Gerne zitiere ich wörtlich aus einem Interview, dass er in der Ausgabe 4/98 in der damals noch jungen Schachzeitschrift KARL gab.

KARL: Bedauerlicherweise hast Du unseren Club (Schöneck) am Ende der Saison verlassen.

Stefan: ……. Durch Zufall bekam ich in dieser Zeit ein Angebot von Koblenz, bei denen ich im Rotationssystem in der 1. Bundesliga spielen konnte. ……. Bei Koblenz verbrachte ich jedenfalls die beste Zeit meines Lebens. Nach jeder Runde setzte sich die ganze Mannschaft, inklusive Gurevich und Rozentalis zusammen und jede Partie wurde analysiert. Das war nicht nur sehr unterhaltsam, sondern hat auch mein Schachverständnis erheblich nach vorne gebracht.

KARL: Dir muss es dort wirklich gut gefallen haben; immerhin hast du drei Jahre dort verbracht.

Stefan: Ja, wir hatten vielleicht das beste Teamklima in der Liga und viele Spieler anderer Clubs gesellten sich abends zu unserer fröhlichen Runde.

Wir trafen uns in der zweiten Hälfte der 90er Jahre und in den 2000er Jahren noch häufig bei Turnieren. Wir waren nicht direkt befreundet, aber aufgrund der gemeinsamen Zeit bei Koblenz würde ich unser Verhältnis als vertraut bezeichnen.

Das letzte Mal traf ich Stefan 2015 beim Rhein-Main-Open. Es war reiner Zufall. Auf der Teilnehmerliste standen ein paar alte Freunde von mir. Ich überredete meine Frau, einen Ausflug nach Bad Homburg zu machen. Der Kurpark ist ideal, um mit dem Kinderwagen spazieren zu gehen. Zu meinem Verdruss fand das Turnier nicht mehr in der Kurhalle statt, sondern in einer anderen Halle, die ihre besten Zeiten hinter sich hatte. Es gab aber um die Ecke ein Gartenlokal, wo ich mit Freunden und Familie saß. Aus dem Nichts tauchte Stefan mit seinem Bruder Thomas auf. Auch Thomas kenne ich gut. Er war in den 90er Jahren ein aktiver Spieler von Open-Turnieren gewesen. Stefan war durch seine Krankheit gezeichnet. Früher hatte man ihm aufgrund seiner großen und kräftigen Figur sein Übergewicht nicht angesehen. Jetzt war er ein Strich in der Landschaft. Er erzählte mir von seiner Krankheit. In dem Gespräch, später in großer Runde, kam in manchen Phasen noch mal der Stefan der 90er Jahre durch. Ich hatte meiner Frau gesagt, wir bleiben eine Stunde. Natürlich ging es bis in den Abend.

In den folgenden Jahren bin ich in unregelmäßigen Abständen die Kader der hessischen Oberligamannschaften durchgegangen. Im Kader habe ich ihn noch hier und da gefunden. In den Ergebnislisten leider nicht mehr. Wenn er nochmal die Kurve bekommt wird er doch sicher das Wettkampfschach wieder aufnehmen ………

Es ist Sonntag, der 27.11.2022. Nach einem aufreibenden Mannschaftskampf gegen Oberursel (mit gutem Ende) sitze ich im Auto zurück nach Koblenz. Mist, jetzt habe ich vergessen, mich nach Stefan zu erkundigen.

Die Antworten hätten mir nicht gefallen.

Lieber Stefan, du hast Spuren hinterlassen. In Hessen sowieso, aber auch in Koblenz bist du unvergessen.

R. i. P.